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Versuch einer Erklärung wie Gewalt entsteht

Kerstin König • Jan. 20, 2023

Eine mögliche Erklärung wie Gewalt entsteht

"Alle Gewalt entsteht dadurch, dass wir glauben, unsere Gefühle seien nicht das Ergebnis von dem, was innen abläuft sondern weil da draußen jemand Mist gebaut hat." 

Dieses Zitat von Marshall Rosenberg habe ich vor einigen Jahren auf der Toilette einer Trainer-Kollegin fotografiert. Es hing so, dass jede es sehen musste. Für mich war das ein echter Augenöffner. Und der Schlüssel zur Konfliktlösung und gleichzeitig das, was bei mir den größten Widerstand ausgelöst hat. Es hat sehr lange gedauert, das zu verinnerlichen und mich immer wieder bewusst daran zu erinnern. Manchmal vergesse ich es immer noch. Gleichzeitig fasziniert mich die Kraft und Freiheit, die darin steckt.


"Du machst mich traurig" - wer ist wirklich verantwortlich?


Die meisten von uns haben das von klein auf anders gelernt. Wenn wir diesen Satz ernst nehmen, dann funktionieren Aussagen wie „Du machst mich glücklich“ ebenso wenig wie „Du machst mich wütend“ oder „Mir geht es schlecht wegen dir" nicht mehr. Das kann unser Weltbild ganz schön auf den Kopf stellen. 


Wenn jemand unsere Knöpfe drückt


Andere Menschen sind niemals Ursache, sondern lediglich Auslöser für unsere Gefühle. Sie „drücken unsere Knöpfe“, installiert wurden die Knöpfe jedoch meist schon viel früher. Zum Beispiel kann eine bestimmte Art zu sprechen bei mir Unwohlsein auslösen oder sogar Ekel, weil sie mich an eine Person aus meiner Kindheit erinnert – bewusst oder unbewusst. Ebenso funktioniert das mit angenehmen Gefühlen, die durch angenehme Erinnerungen ausgelöst werden, wie zum Beispiel durch bestimmte Gerüche oder Farben. 


Gefühle als Warnlämpchen und Wegweiser


Gefühle entstehen u. a. dadurch, dass wir etwas auf eine bestimmte Art bewerten, ihm eine bestimmte Bedeutung geben. 

Wenn ich mit einer Freundin um 15 Uhr verabredet bin und um 15:15 Uhr ist sie noch nicht da, dann bin ich wütend, traurig, froh, dankbar oder besorgt. Je nachdem, was ich bisher in meinem Leben erfahren habe, wie mein Tag und meine Woche war. 

Vielleicht freue ich mich darüber, ein paar Minuten in Ruhe für mich allein zu haben. Oder ich habe Angst, dass ihr etwas passiert ist oder bin stinksauer, weil ich mich extra beeilt habe an diesem stressigen Tag und die Wartezeit gerne anders genutzt hätte.  Vielleicht bin ich auch total traurig, weil wir uns nur einmal im Jahr sehen und sie in einer Stunde schon wieder weg muss. Mir ist gemeinsame Zeit so wichtig.

 

Die gleiche Situation, vier verschiedene Bewertungen, vier unterschiedliche Gefühle, die jeweils auf ein anderes unerfülltes Bedürfnis hinweisen. Genau darin liegt das Geschenk, das uns unsere Gefühle machen: sie zeigen uns an, was wir brauchen! Und dadurch wandelt sich Ärger in Lebensenergie und Vorwürfe in klare und erfüllbare Bitten. 


Soll ich mich jetzt gar nicht mehr ärgern oder wie? 


„So eine Kacke, wenn mich jemand ärgert, soll ich das also mit mir selbst ausmachen???“ und „Soll das etwa heißen, es ist egal was der andere macht?“ wurde ich kürzlich zu diesem Thema gefragt. Nicht ganz. Ich jedenfalls finde, dass das ein wunderbares Ziel ist: Frei von Reaktionen zu sein, unabhängig von Lob und Kritik. Jedes unangenehme Gefühl, das in mir auftaucht kann ich als Geschenk sehen, das mir anzeigt, was ich brauche. Dann kann ich dafür sorgen, dass ich es bekomme! In was für einer Welt würden wir leben, wenn jeder das tun würde? 


Du kannst jetzt damit anfangen, in dem du „ich bin wütend weil du...“ konsequent austauschst gegen „ich fühle mich ..., weil ich ... brauche“. Und dann schau mal, ob sich etwas verändert in deinem Leben.


Wenn du mehr darüber wissen willst oder das mit anderen gemeinsam praktisch üben, komm' doch in eines meiner Seminare!  


Das Zitatbild stammt von der Toilette von Claudia Althaus. 



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