Wenn nicht jetzt, wann dann?

Kerstin König • 23. September 2025

Tausend ungesagte Worte – wenn nicht jetzt, wann dann? 

Dieser Post ist keine Buchempfehlung sondern eine Ermutigung zum Reden. 



Ein Zufallskauf an der Tankstelle auf dem Weg in den Sommerurlaub. Ich wollte einfach eintauchen und abschalten. Doch manchmal sind es genau diese Geschichten, die einen nicht entspannen, sondern tief bewegen. Weil sie etwas in uns zum Klingen bringen.


Millie, die Protagonistin im Roman hat ihr ganzes Leben lang geschwiegen. Sie wollte niemanden verletzen und vor allem selbst nicht verletzt werden. Ihre Gedanken und Gefühle hat sie nie geteilt, sondern still gesammelt. Und irgendwann schrieb sie Mails. Sehr ehrliche Mails.

An Freund:innen, Kolleg:innen, Vorgesetzte. Von Vorwürfen bis Liebeserklärungen war alles dabei. Aber sie schickte sie nie ab. Bis ein technischer Fehler dafür sorgte, dass alle Nachrichten auf einen Schlag versendet wurden.


Was das mit mir zu tun hat


Ich widme mein Berufsleben der Verständigung zwischen Menschen. Und ich erlebe in meiner Arbeit täglich, wie viel Schmerz, wie viele Missverständnisse und Konflikte entstehen, weil Dinge nicht gesagt werden. Oder weil sie unreflektiert, unkontrolliert oder unklar irgendwann rausplatzen. Ich nenne das „Gefühlsunfälle". Die kenne ich auch aus meinen eigenen ersten Berufsjahren.


In meinem Roman bricht durch das Versenden der Mails erstmal Chaos aus. Klar. Aber in diesem Chaos liegt eine Chance: Denn aus der Ehrlichkeit entsteht Klarheit. Und Klarheit schafft Ordnung – innerlich wie zwischenmenschlich. So erlebe ich das auch in der Arbeit mit Teams.


Die Wirkung und Potential von Ungesagtem


Ich weiß, dass viele Menschen in ihrem Leben Erfahrungen gemacht haben, die sie vorsichtig gemacht haben. Die Angst, verletzt zu werden ist real und sie hat ihre Gründe. 

Ich weiß auch, dass es gerade in der Arbeitswelt viele Strukturen und Verhaltensweisen gibt, die wenig Raum und nicht genügend Sicherheit für Offenheit geben. Und doch erlebe ich, dass die Kosten des Schweigens oft höher sind als das Risiko, sich mitzuteilen.

 

Denn was wir verschweigen, verschwindet nicht. Es bindet Energie.

In der Anpassung. Im inneren Rückzug. Im Groll. Und nicht zuletzt im Körper. Unausgesprochenes hat eine Wirkung. 95 % aller Informationen werden emotional und unbewusst verarbeitet. Das bedeutet, wir reagieren emotional ohne es zu merken.


Gleichzeitig erlebe ich, wieviel Potential im Ungesagten liegt, wenn es dann in Worte kommt! Wenn Menschen beginnen, sich echt, klar und konstruktiv mitzuteilen, dann wird Entwicklung möglich. Energie wird frei, Verbindung entsteht, Konflikte werden geklärt, Ideen können wachsen und Missstände aufgedeckt und verändert werden. 


Was ich tue – und warum das wirkt


Ich begleite Teams und Einzelpersonen in genau diesen Prozessen. Ich gebe Raum, halte Struktur, übersetze Vorwürfe in Bedürfnisse, sichere Grenzen und begleite durch schwierige Gespräche.

Weil Veränderung nicht an einem Tag passiert, begleite ich Teams über längere Zeiträume. So kann ich beobachten, wie sich das Team und die einzelnen Personen darin entwickeln. Zusammenarbeit ist kein Liebesroman, aber sie kann durchaus ehrlich, verbindlich und lebendig sein.


In meinen Seminaren üben wir „Brücken bauen“ zu anderen Menschen. Dazu gehört klassisch das Fragenstellen und Zuhören. Genauso wichtig finde ich aber das aufrichtige Mitteilen. Auch und gerade wenn es um Gefühle geht, denn Gefühle verbinden. 


Gemeinsame Freude oder Stolz über ein gelungenes Projekt. 

Ein gemeinsamer Moment des Genusses mit einem Kaffee, verbunden mit einem ehrlichen Gespräch.

Aber auch: 

Frust über ein stockendes Projekt.

Irritation über ein unklares Briefing.

Enttäuschung über fehlende Wertschätzung (bevor jemand kündigt).

Der Schmerz über unerfüllte Bedürfnisse. 


Wenn Worte Brücken sind, ist Schweigen oft eine Mauer


Ich glaube: Wenn wir mehr Worte hätten, gäbe es weniger Gewalt – im Kleinen wie im Großen. 

Lasst uns die Dinge besprechbar machen. Lasst uns ehrlich sein, miteinander sprechen, einander wirklich sehen.  


Wenn du spürst, dass du etwas mit dir herumträgst, das gesagt werden will, du aber noch nicht weißt wie: Dann könnte ein GFK-Seminar ein guter Anfang sein.


Dort üben wir in sicherem Rahmen, was so viele von uns nie gelernt haben:


Was ist in mir los – und was brauche ich?
Was ist in dir los – und was brauchst du?
Und was machen wir jetzt damit?


Wenn nicht jetzt, wann dann?


Viele von uns schleppen unausgesprochene Gedanken und Gefühle mit sich herum.
Manche davon wiegen schwer. Andere sind vielleicht klein, aber trotzdem bedeutsam.


Was würde passieren, wenn du anfängst, darüber zu sprechen?
Was würde leichter? Was würde klarer?
Was würde möglich werden? Für dich, für dein Team, für eure Zusammenarbeit?


Oft beginnt Veränderung mit einem einzigen Gespräch und auch im echten Leben, ist – wie in meinem Roman – ein Happy End möglich.


Oder wie Marshall Rosenberg es formuliert hat: 


„Die Gewaltfreie Kommunikation ist keine „weichgespülte-wir-haben-uns-alle-lieb-Sprache, sondern ein fairer, offener und ehrlicher Austausch, der meistens von den Beteiligten wesentlich mehr Mut und Klarheit erfordert, als sie vorher geahnt haben.

In der GFK sind wir nicht nett, sondern echt. Und das ist manchmal sehr herausfordernd.“ 


Ich beziehe mich auf das Buch. Tausend ungesagte Worte von Lia Louis.